Was, wann, wo in Knittelfeld?

März 2024
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Stadthistoriker

Lois Hammer

Lois Hammer.
Abbildung von Herrn Lois Hammer

"Ich bin", schreibt Lois Hammer an einen der wenigen Freunde, die ihm im hohen Alter noch geblieben waren, "völlig vereinsamt, ich habe keinen Menschen mehr, mit dem ich meine Gedanken austauschen, dem ich die von mir in Jahrzehnte langer mühsamer Arbeit zusammengetragenen historischen Dokumente und Urkunden vertrauensvoll übergeben könnte."

Hinter dieser traurigen, menschlich wohl auch tragischen Bilanz, die Lois Hammer wenige Jahre vor seinem Tod zu erstellen hatte, steht eine beinahe sechs Jahrzehnte andauernde, ebenso sorgfältige wie leidenschaftliche historische Spurensuche. Eine Spurensuche, die der bis dahin kaum bearbeiteten Geschichte der Stadt und des Bezirkes Knittelfeld galt. Hammer wusste freilich nur zu genau Bescheid über die entbehrungsreiche, oft auch unbedankte Arbeit des Sammelns und Bewahrens geschichtlicher Quellen, die er aus den verschiedensten Archiven zusammentrug. Lois Hammer war ein Idealist im besten Sinn des Wortes. Die Erforschung der Heimatgeschichte, die Aufhellung der Frage nach dem Herkommen, nach den historischen Wurzeln, mochte ihn wohl für vieles entschädigen.

Lois Hammer wurde 1889 in Klagenfurt geboren. Anfang der neunziger Jahre zogen seine Eltern, ein Lehrerehepaar, nach Knittelfeld. 1896 bezog die Familie eine Wohnung in der Bahnstraße 18. Bis zu seinem Tod im Jahr 1986, also neun Jahrzehnte lang, wohnte Lois Hammer in diesem Haus. Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte er fünf Klassen Gymnasium in Graz und Leoben und legte nach vier Jahren Lehrerbildungsanstalt in Graz die Reifeprüfung ab. Seit Antritt seines Lehramtes im Jahr 1910 war er als Berichterstatter und freier Mitarbeiter bei verschiedenen obersteirischen Zeitungen tätig. Seine Arbeit als Journalist und sein schon früh erwachtes Interesse für die Geschichte seiner Heimat bestimmten schließlich auch die literarische Form, die Lois Hammer stets bevorzugen und die seinen lokalgeschichtlichen Arbeiten bald einen breiten Leserkreis sichern sollte: nämlich die auf knappe und allgemein verständliche, unterhaltsame Information angelegte historische Skizze.

Talent
Sein erzählerisches Talent hatte er von seiner Mutter, einer geborenen Morre, geerbt. Auf die Lokalgeschichte stieß Lois Hammer durch die zahlreichen Anregungen, die er von seinem Vater erhielt. Für Schuldirektor Alois Hammer d. Ä. war, wie uns sein Sohn selbst berichtet, das Wissen um die engere Heimat die Grundlage des gesamten Unterrichtes in der Volksschule. Sein Vater war es auch, auf dessen Initiative im Jahr 1916 ein damals längst vergriffenes Knittelfeld-Buch neu aufgelegt wurde. Verfasst hatte es 1842 - im Jahr des schweren Stadtbrandes - Johann N. V. Sonntag, ein Beamter des ehemaligen Augustinerchorherrenstiftes Seckau. Es dürfte heute kaum noch bekannt sein, dass in den Räumen der Roseggerschule einst auch ein Ortsmuseum untergebracht war, an dessen Aufbau Alois Hammer d. Ä. entscheidend mitwirkte.

Auftrag
Die Vorliebe seines Vaters für die Heimatkunde wurde für Lois Hammer zum Auftrag und Vermächtnis, dem er sich lebenslang verpflichtet fühlte. Die spärlichen ortsgeschichtlichen Fakten, die Sonntag in seinem schmalen Knittelfeld-Büchlein überlieferte, konnten Lois Hammer, der stets nach einer fundierten, aus den vielfältigen schriftlichen Quellen erarbeiteten Stadtgeschichte strebte, nicht genügen. Mit bewundernswerter Geduld und akribischem Forschergeist machte er sich selbst an die Sichtung und Auswertung der in zahlreichen öffentlichen und privaten Archiven aufbewahrten einschlägigen Schriftdokumente. Als literarische Frucht seiner ausgedehnten Forschungen entstanden so seit Mitte der dreißiger Jahre mehr als 300 ortskundliche und heimatgeschichtliche Beiträge. Gleichsam historische Miniaturen, die, in klarer und lebendiger Sprache verfasst, zum überwiegenden Teil in den lokalen Wochenzeitungen abgedruckt wurden, aber auch in Fachzeitschriften Eingang fanden.

Die Vielfalt der behandelten Themen, seien es nun Aufsätze zur Knittelfelder Wirtschafts- und Sozialgeschichte, zur Häuser- und Schulgeschichte, seien es genealogische, heraldische, münzgeschichtliche Beiträge, Untersuchungen zur Besitz- und Siedlungsgeschichte oder Beiträge zur Orts- und Familiennamenkunde, mögen das breit gefächerte historische Interesse Lois Hammers illustrieren. Ein großer Teil dieser heute nur noch schwer greifbaren heimatkundlichen Arbeiten findet sich in der im Jahr 1959 erschienenen Ortsgeschichte „Aus Knittelfelds Vergangenheit“ wieder. Bis heute gilt dieses Buch, mit dem der historische Autodidakt Lois Hammer in Fachkreisen breite Anerkennung fand, als Standardwerk der Knittelfelder Stadtgeschichte. Bis heute ist es durch die ungeheuer breite Quellenbasis, auf das es sich stützt, in seiner Qualität unerreicht und einmalig. Darüber hinaus verstand es Lois Hammer aber auch, insbesondere mit seinen Untersuchungen zum so genannten Undrima-Problem, d. h. zur Lokalisierung der ersten urkundlich erwähnten Kirche im Raum Aichfeld-Murboden, die Fachwissenschaft zu weiterführenden Diskussionen anzuregen.

Man würde der Persönlichkeit Lois Hammers nur unzureichend gerecht, unterließe man es, auf seine rege Vortragstätigkeit hinzuweisen. Gerade hier konnte sich sein profundes Wissen, sein mitteilsames Naturell, das gerne den Kontakt suchte, und vor allem seine Fähigkeit, Vergangenes und Gegenwärtiges lebendig, zuweilen unterhaltsam zu verbinden, voll entfalten.

In Anerkennung seiner Verdienste bestellte die Steiermärkische Landesregierung Lois Hammer zum Archivpfleger für den Bezirk Knittelfeld, die Historische Landeskommission ernannte ihn zu ihrem Korrespondenten. Der Gemeinderat der Stadt Knittelfeld verlieh 1969 dem Historiker in Würdigung seiner Leistungen den Ehrenring der Stadt. Der Wunsch des mit seiner Stadt so tief verbundenen Historikers nach Bewahrung und Fortführung seines heimatkundlichen Lebenswerkes blieb aber unerfüllt. Sein in mehreren Jahrzehnten erarbeitetes Hauptwerk, nämlich ein in Manuskriptform fertig gestelltes, bis ins 17. Jahrhundert reichendes Häuserbuch, ist nie im Druck erschienen. Auch seine umfangreiche Materialsammlung, darunter die Abschrift und chronologische Ordnung tausender Urkunden, konnte bedauerlicherweise in ihrem Gesamtbestand nicht erhalten werden - ein unschätzbarer Verlust.

Lois Hammer starb am 11. November 1986 im 97. Lebensjahr. Eine in Knittelfeld nach ihm benannte Straße erinnert an den Lehrer und Geschichtsforscher.

Text: Dr. Michael Schiestl